Inder empört über amerikanische Yoga-Patente


02. Juni 2007, 10:29 Uhr
Von Hasnain Kazim

Empörung in Indien: Findige US-Unternehmer im boomenden Fitness-Markt lassen sich immer mehr Yoga-Praktiken patentieren, etwa "Hot Yoga" oder "Bikram Yoga". Wenn überhaupt, heißt es in Neu-Delhi, gehört das Patent auf alte indische Philosophie Indien. Hamburg - Shiv Basant könnte jetzt ein bisschen Entspannung gut gebrauchen. Der Beamte im Gesundheitsministerium in Neu-Delhi, Abteilung Ayurveda, Yoga und andere traditionelle Heilverfahren, hat derzeit viel zu tun: Amerikanische Unternehmen wollen ein paar angeblich selbst erfundene Yoga-Übungen patentrechtlich schützen lassen. "Stellen Sie sich das mal vor!", sagt er. "Amerikanische Patente auf Yoga." Er schnauft. "Auf Yoga!"
Indischer Asket bei Yoga-Übung im Baum: Nicht kommerziell verwerten REUTERS Indischer Asket bei Yoga-Übung im Baum: Nicht kommerziell verwerten Sein Kollege Verghese Samuel sagt: "Wie kann man überhaupt auf die Idee kommen, Yoga zu patentieren? Etwas, das durch und durch indisch ist und das Millionen von Menschen in der ganzen Welt praktizieren?" Samuel findet es lächerlich, dass die US-Patentbehörde entsprechende Anträge von Firmen bewilligt hat. "Wir werden das auf jeden Fall anfechten." Inzwischen hat sich auch der indische Handelsminister Kamal Nath in den Streit eingeschaltet. "Wir werden uns mit der amerikanischen Seite in Verbindung setzen und über das Thema sprechen", bestätigte sein Sprecher einen Bericht der Londoner "Times". Der Yoga-Streit soll auf politischer Ebene gelöst werden. Die indische Regierung will sich über die amerikanische Patentvergabe-Praxis beschweren. 166 Einträge für Yoga-Accessoires listet das Verzeichnis des United States Patent and Trademark Office auf, von Matten bis zu speziellen Zehenstreckern. In 2315 Fällen haben US-Behörden der "Times" zufolge Firmen yogabezogene Markenrechte zugesprochen. "Diese Zahlen zeigen, welche Bedeutung Yoga in den vergangenen Jahren erfahren hat: von einer Angelegenheit für Inder und einige Verrückte im Westen zu einem weltweiten Massenphänomen", sagt Basant. Anlass für den aktuellen Unmut ist das Vorgehen einiger Unternehmer, Yoga-Übungen selbst zu schützen. So hat das US-Copyrightamt Bikram Choudhury, einem indischstämmigen Yogi, der in den USA lebt, die Rechte auf "Hot Yoga" zugesprochen. Das sieht eine ganz bestimmte Abfolge von 26 Übungen in einem auf exakt 40,5 Grad Celsius geheizten Raum bei 50 Prozent Luftfeuchtigkeit vor - eine Erfindung von Choudhury, wie er selbst sagt. "Es ist wie bei der Musik", zitiert die "Times" John Marcoux, den Anwalt von Choudhury. "Mein Mandant beansprucht ja nicht die Rechte auf Noten, sondern auf eine bestimmte Abfolge von Noten." Was Yoga betreffe, so gebe es unzählige mögliche Positionen. "Wenn man dann schaut, wie viele Abfolgen von Positionen man kreieren kann, kommt man auf eine astronomische Zahl." Je mehr unterschiedliche Yoga-Schulen es gebe, desto mehr nütze es der Verbreitung dieser Philosophie im Ganzen. Nicht nur körperliche, auch geistige Übung Choudhury wurde in Kalkutta geboren, wanderte in die USA aus und eröffnete in den siebziger Jahren sein erstes Yoga-Studio in Kalifornien. Die Abfolge von bestimmten Übungen ließ er schon 1978 schützen, 2002 meldete er die Marke "Bikram Yoga" an. Drei Jahre später gewann er einen Prozess gegen Yoga-Lehrer, die sich mit ihm über das Meditieren im Dampfraum stritten. Choudhury verdient mit seiner Yoga-Lehre prächtig. Inzwischen besitzt der 61-Jährige rund 900 Studios in der ganzen Welt und eröffnet demnächst seine erste Filiale in der indischen Metropole Bombay. Ob es so weit kommt, muss sich noch herausstellen - in Indien wächst die Kritik an dem Millionär. "Uns ärgert es, dass jetzt immer mehr Menschen auf die Idee kommen, Yoga patentieren zu wollen", sagt ein Beamter im indischen Gesundheitsministerium. "Solche Leute missachten, dass es sich um eine mehrere tausend Jahre alte Philosophie handelt, zu der nicht nur körperliche, sondern auch geistige Übungen gehören." Erste Erwähnung fand Yoga bereits in vorchristlichen Schriften des Hinduismus. Yoga gilt daher in erster Linie als hinduistische Lehre. Kulturgut statt Kommerz: "So etwas sollte nicht wie eine Marke verwertet werden." Tatsächlich setzt die Fitness- und Wellness-Industrie in den westlichen Staaten gigantische Summen mit Yoga um - allein in Deutschland schätzungsweise 500 Millionen Euro, in den USA drei Milliarden Dollar jährlich, Tendenz steigend. "Die Begeisterung für Yoga freut uns und bestätigt den positiven Einfluss auf die Gesundheit, aber das heißt nicht, dass jetzt lauter Patente angemeldet werden", sagt ein Beamter aus dem indischen Gesundheitsministerium. "Man kann Yoga nicht patentieren. Niemals." URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,486178,00.html

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